Das Eisvolumen der Gletscher wurde überschätzt – das hat Einfluss auf die Wasserversorgung

Das Gletscher-Volumen im Himalaja wurde bisher überschätzt. Forschende der ETH und der WSL haben das Eisvolumen der Gletscher weltweit neu berechnet. Sie kommen auf deutlich kleinere Werte als bisher angenommen. Vor allem die Gletscher im asiatischen Hochgebirge besitzen weniger Eis und dürften schneller schwinden.

Rund 158’000 Kubikkilometer Eis beherbergen die Gletscher der Welt – die Eisschilde Grönlands und der Antarktis ausgenommen. Zu diesem Schluss kommen Forschende um Daniel Farinotti von der ETH Zürich der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) dank neuer Berechnungen mit bis zu fünf Modellen.

Dieser neu berechnete Wert des weltweiten Gletschereisvolumens liegt dabei deutlich tiefer als Schätzungen von vor wenigen Jahren, wie die ETH mitteilte. Besonders ins Gewicht fallen dabei die Gebirge Hochasiens: Diese Region, die den Himalaja, das Tibetische Plateau und die Gebirge Zentralasiens umfasst, besitzt nebst Alaska das grösste Eisvolumen ausserhalb der Arktis. Letztere macht mit etwa 75‘000 Kubikkilometern fast die Hälfte des weltweiten Gletschereises aus, das asiatische Hochgebirge besitzt rund 7000 Kubikkilometer.

Den neuen Berechnungen nach beherbergen die Gletscher Hochasiens aber um 27 Prozent weniger Eis als bisher angenommen, wie die Wissenschaftler im Fachblatt «Nature Geoscience» berichten.

Grund für diese Diskrepanz ist vor allem, dass die Berechnungen auf detaillierteren Satellitendaten beruhen, wie Farinotti im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärt. Dank höherer Auflösung könne man beispielsweise genauer erkennen, ob es sich um einen grossen oder zwei kleinere, zusammenhängende Gletscher handle. Dies spielt wiederum für die Modellierung und Rückschlüsse auf die Eisdicke eine Rolle.

Das geringere Eisvolumen bedeutet auch, «dass die asiatischen Hochgebirge ihre Gletscher schneller verlieren können als bisher angenommen», so Farinotti. Anstatt in den 2070er Jahren könnte die dortige Gletscherfläche bereits in den 2060ern auf die Hälfte geschrumpft sein.

Dies hat auch Konsequenzen für die Wasserversorgung von hunderten Millionen Menschen, denn die Gletscher nähren Flüsse und Seen in einer zum Teil trockenen Region. Die gletscherbedingten Abflussmengen von Flüssen wie dem Indus, dem Tarim oder den Zuflüssen des Aralsees dürften dadurch gegen Ende dieses Jahrhunderts um rund ein Viertel geringer ausfallen als heute.

Strategiewechseln für die künftige Wasserversorgung der Bevölkerung wären zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, sagte Farinotti. «In erster Linie sollte man die dortigen Gletschereisvolumen besser vermessen. Noch gibt es nämlich wenige Messwerte, anhand derer wir die Modelle kalibrieren können.» Die Unsicherheit der Berechnungen sei daher noch recht gross. «Wenn wir die hundert grössten Gletscher dort messen würden, könnten wir den grössten Teil der Unsicherheit ausräumen.»

Anhand der neuen Berechnungen vermuten die Forschenden ausserdem, dass die weltweiten Gletscher ausserhalb der Antarktis und Grönlands im Falle ihres vollständigen Abschmelzens den Meeresspiegel um 30 Zentimeter ansteigen lassen würden. Es sei jedoch unklar, ob und wann es zu diesem vollständigen Abschmelzen kommen werde, so Farinotti.

In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun genauer auf die Verteilung des Gletschereisvolumens eingehen. Die Studie liefert nämlich auch Informationen über die Landschaft unter den Gletschern, so Farinotti.

Text: sda